Hygienetipps für die Trinkwasser-Installation: Keimen keine Nahrung geben

Attendorn, 11.11.2020

Der Wirkkreis der Trinkwassergüte benennt vier Kriterien, die für die Trinkwasserqualität in Hausinstallationen entscheidend sind und sich gegenseitig maßgeblich beeinflussen: das Temperaturregime, die Durchströmung, der regelmäßige Wasseraustausch in den Rohrleitungen und das Nährstoffangebot für mikrobielles Wachstum. Bei der Planung und Ausführung von Trinkwasser-Installationen liegt der Fokus in der Regel hauptsächlich auf den ersten drei Aspekten, um eine einwandfreie Trinkwasserqualität im Sinne der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) sicherzustellen. Aber gerade Installations- und Sanierungsarbeiten können den Nährstoffeintrag negativ beeinflussen – und schaffen damit beispielsweise für Legionellen perfekte Lebensbedingungen.


Menschen teilen ihren Lebensraum mit unzähligen Mikroorganismen, von denen viele ausgesprochen nützliche Funktionen erfüllen. Auch im Trinkwasser kommen natürliche Bakterien vor. Die meisten sind nicht pathogen, also nicht krankheitserregend. Andere wiederum werden als fakultativ pathogen eingestuft. Das heißt, sie können immungeschwächten Menschen schaden. Oder sie sind sogar obligat pathogen und dadurch auch für gesunde Menschen gefährlich. Im Trinkwasser zählen in erster Linie Legionellen (Legionella pneumophila) und Pseudomonaden (Pseudomonas aeruginosa) zu den pathogenen Keimen: Von ihnen geht ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko aus, wenn deren Konzentration im Trinkwasser ansteigt. In der TrinkwV ist daher für Legionellen ein „technischer Maßnahmenwert“ als Grenzwert von 100 KBE (koloniebildende Einheiten) pro 100 Milliliter Wasser definiert. Dieser Wert gibt an, ab wann technische Maßnahmen gegen Legionellen ergriffen werden müssen. Die Verantwortung dafür trägt der Betreiber und ist darüber hinaus verpflichtet, die Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes der zuständigen Gesundheitsbehörde zu melden. Bezüglich Pseudomonaden beträgt der Grenzwert 0 KBE pro 100 Milliliter Wasser. Bei deutlicher Vermehrung geben Pseudomonas aeruginosa einen Hinweis auf mögliche Stagnationsprobleme in der Trinkwasser-Installation.

Ideale Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen in Trinkwasser-Installationen ergeben sich beispielsweise unter folgenden Voraussetzungen: 

  • Trinkwassertemperaturen im Bereich von > 20 °C und < 55 °C begünstigen die Vermehrung am meisten. 
  • Stagnation ist in erster Linie auf einen unzureichenden Wasseraustausch zurückzuführen. Die DVGW/VDI-Richtlinie 6023 empfiehlt einen vollständigen Wasserwechsel in allen Leitungsteilen innerhalb von 72 Stunden. Wichtig ist, dass dieser über alle Entnahmestellen stattfindet
  • Eine mangelnde Durchströmung der Trinkwasserleitungen bedingt ebenfalls Stagnation. Ursächlich dafür sind zu groß dimensionierte Rohrleitungen mit entsprechend reduzierten Fließgeschwindigkeiten, weil beispielsweise bei der Planung nicht die herstellerspezifischen Zeta-Werte für die ausreichende Durchströmung berücksichtigt wurden.
  • Nährstoffe für das Bakterienwachstum reichern sich im Biofilm an, der sich praktisch auf allen Oberflächen bildet, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen. Bei unzureichender Durchströmung und fehlendem Wasseraustausch haben Mikroorganismen ausreichend Zeit, das Nährstoffangebot zum Wachstum zu nutzen. 


Die Korrelation dieser vier Faktoren wird treffend im Wirkkreis der Trinkwassergüte dargestellt. Während sich Fachplaner, Fachhandwerker und Betreiber oft in erster Linie darauf konzentrieren, Temperatur, Durchströmung und Wasseraustausch in eine hygienische Balance zu bringen beziehungsweise zu halten, findet die Beeinflussung des Nährstoffangebots bislang deutlich weniger Beachtung. Dabei sind die Auswahl der Bauteile, Hygienemaßnamen bei der Installation und Sachkenntnis bei Sanierungsarbeiten wesentliche Beiträge, um Keimen im Rohrleitungsnetz selbst keine zusätzliche Nahrung zu geben. Praktische Anhaltspunkte hierfür bieten Regelwerke, aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse.

Nährstoffangebot durch Werkstoffe 

Werkstoffe von Installationsbauteilen können in unterschiedlich hohem Maß Nährstoffe in Form von organischen Kohlenstoffverbindungen (DOC = Dissolved Organic Carbon – löslicher organischer Kohlenstoff) für mikrobielles Wachstum in das Trinkwasser abgeben. Dem trägt das Umweltbundesamt (UBA) mit Veröffentlichungen zur hygienischen Beurteilung von Werkstoffen im Kontakt mit Trinkwasser Rechnung. Folgende UBA-Leitlinien und Empfehlungen sind erschienen:

  • KTW-Leitlinie; sie stellt hygienische Anforderungen an Kunststoffe und Silikone,
  • Beschichtungsleitlinie,
  • Elastomerleitlinie,
  • Schmierstoffleitlinie und
  • Geringfügigkeitsleitlinie zur Beurteilung von Stoffen, die in sehr geringen Mengen eingesetzt werden und die normalerweise nicht ins Trinkwasser übergehen. Dazu gehören Katalysatoren und Initiatoren, die Oberflächenveredelung von Garnen und Geweben, Schlichten für Füllstoffe, Lösemittel für Additive und für andere Hilfsstoffe.


Ab dem 21. März 2021 löst die „Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser“ des UBA die KTW-Leitlinien ab. Die UBA-Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe ist bereits bindend.

Diese Veröffentlichungen und die darin beschriebenen Prozedere sind in erster Linie für Hersteller von Bauteilen für Trinkwasser-Installationen von Bedeutung. Sie können damit sicherstellen, dass die verbauten Werkstoffe im Laufe der Nutzungszeit keine Stoffe ins Trinkwasser abgeben, die Mikroorganismen Nahrung bieten. Für Fachplaner und Fachhandwerker entscheidend ist allerdings: Die Leitlinien des UBA basieren rechtlich auf der deutschen TrinkwV. Eine europaweit einheitliche Zulassung von Werkstoffen im Kontakt mit Trinkwasser gibt es derzeit nicht. Somit sollte dringend bereits bei einer eventuellen Ausschreibung darauf geachtet werden, dass nur Bauteile installiert werden, für die eine Konformitätserklärung der Hersteller mit den UBA-Leitlinien beziehungsweise -Bewertungsgrundlagen vorliegt.

Nährstoffeintrag bei der Installation

Die vom Gesetzgeber verlangte hohe Sorgfalt bei der Materialauswahl für Bauteile macht deutlich, dass auch bei der Installation darauf zu achten ist, keine Fremdstoffe ins Leitungsnetz einzutragen. So etwas kann unter anderem bei konventionellen Verbindungstechniken passieren. Beim Löten von Trinkwasserleitungen sollte daher die Verwendung von Loten und Flussmittel, die den Anforderungen DVGW GW 7 entsprechen, selbstverständlich sein. Damit ist beispielsweise gewährleistet, dass Flussmittelrückstände kaltwasserlöslich und durch Spülung zu entfernen sind. Generell ist darauf zu achten, möglichst keine Hilfsstoffe in die Rohre einzubringen. Das trifft auch auf Hanf und andere Materialien zu, die zum Dichten von Gewindeverbindungen genutzt werden.
Diese Formen des Nährstoffeintrags in Rohrleitungen können durch die Pressverbindungstechnik zuverlässig ausgeschlossen werden. Damit aber auch bei Reparaturen verpresst statt zum Beispiel gelötet werden kann, bieten einige Hersteller von Pressverbindungssystemen entsprechende Sonderbauteile wie Schiebemuffen und Übergangsstücke sowohl für Kunststoffrohre als auch für Metallrohre an.

Darüber hinaus schützt eine hygienische Handhabung der Installationsmaterialien vor dem Eintrag von Fremdstoffen in das Trinkwassersystem, die später eine Verkeimung der Anlage fördern können. Die erforderliche Sorgfalt beschreibt die DIN EN 806-4: „Rohre, Fittings (Formstücke) und andere Bauteile müssen geschützt und sorgfältig behandelt und gelagert werden, um Beschädigungen zu vermeiden sowie Verunreinigungen durch Schmutz, Baustoffe, Ungeziefer und sonstiges Fremdmaterial vorzubeugen. Die Hinweise der Hersteller in Bezug auf Verladung, Beförderung, Entladung und Lagerung der jeweiligen Produkte müssen befolgt werden“

Welche vorbeugenden Maßnahmen auf der Baustelle dazugehören, führt unter anderem das DVGW-Arbeitsblatt W 557 konkret aus:

  • Sämtliche Anlagenkomponenten und Rohre sind beim Transport, der Lagerung und während der Installation gegen innere Verunreinigungen zu schützen. 
  • Offene Bauteile der fertiggestellten Installationsabschnitte sind konsequent abzustopfen, bis die Feininstallation abgeschlossen ist.

Warum diese Achtsamkeit geboten ist, thematisiert das DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A): Solche Schmutzeinträge in die Trinkwasserverteilung sind oft ursächlich für eine Verkeimung mit verschiedenen Arten coliformer Bakterien. Diese Krankheitserreger stellen nicht nur für immungeschwächte Personen in medizinischen Einrichtungen eine Gesundheitsgefahr dar, sondern auch häufig für Menschen ohne Vorerkrankungen.

Fremdstoffe ausspülen

Trotz aller Vorsicht kann es jedoch bei der Installation zu Verschmutzungen, insbesondere in den Rohren, kommen. Daher gibt das entsprechende ZVSHK-Merkblatt vor, dass eine Trinkwasseranlage unmittelbar vor der Inbetriebnahme mit filtriertem Trinkwasser zu spülen ist. Wichtig dabei: Das verwendete Trinkwasser muss auf seine Qualität überprüft werden, damit die Anlage nicht durch verunreinigtes Wasser kontaminiert wird. Die Entnahme aus einem Bauwasser-Anschluss ist also definitiv nicht zulässig.

Übrigens: Muss eine Tinkwasseranlage aufgrund hygienisch relevanter, mikrobieller Auffälligkeiten saniert werden, ist das Spülen ebenfalls die erste Maßnahme gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A). Das ist auch dann der Fall, wenn darüber hinaus eine chemische Desinfektion unvermeidlich ist. Dabei sollte möglichst auf das Impulsspülen mit einem Gemisch aus Wasser und ölfreier Druckluft verzichtet werden. In bestehenden Anlagen könnten sich durch die Druckschläge Inkrustrationen von den Rohrwänden lösen, wodurch dort möglicherweise eingekapselte Bakterien zusätzlich ins Wasser gelangen. Außerdem können die Strömungsimpulse zu Undichtigkeiten an den Verbindern führen.

Vorgaben für die Reinigung und Desinfektionen von Trinkwasser-Installationen macht das DVGW-Arbeitsblatt W 557. Allerdings ist die chemische Desinfektion nur in engen Grenzen erlaubt und nur in Ausnahmen zielführend. Der Installation von endständigen, bakteriendichten Filtern sollte bis zum erfolgreichen Abschluss einer Sanierung der Vorzug gegeben werden. 

Fazit

Bauteile für Trinkwasser-Installationen sind de facto „Lebensmittelverpackungen“ mit einer sehr langen Nutzungsdauer. Dieses Verständnis sollte sowohl die Auswahl als auch die Handhabung der Bauteile auf der Baustelle beeinflussen. Denn Materialien, aus denen Stoffe in das Trinkwasser migrieren und Schmutzeinträge bei der Installation bieten den natürlich vorkommenden Bakterien im Trinkwasser Nahrung für ein gesundheitsgefährdendes Wachstum.

Von: Dr. Christian Schauer.

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