Rückbau von Kernkraftwerken mit Viega-Pressverbindungstechnik

Nach einem aufwändigen Prüf- und Zulassungsverfahren dürfen die „Megapress“-Installationskomponenten von Viega jetzt auch in Kernkraftwerken eingesetzt werden. Beim Rückbau der Kraftwerke „Unterweser“ und „Isar 1“ spart Betreiber PreussenElektra durch das schnelle, sichere und wirtschaftliche Installationsverfahren dabei erhebliche Kosten und Aufwände ein.

Es gibt Anwendungsgebiete in der Technischen Gebäudeausrüstung und Industrie, die sind – diskussionsfrei – so etwas wie der „Goldstandard“ der Installationstechnik. Beispielsweise, weil die betriebstechnischen Bedingungen oder die Qualitätsanforderungen weit über konventionelle Einsatzgebiete für Rohrleitungssysteme und die zugehörigen Installationskomponenten hinausgehen. Typisch dafür: Kernkraftwerke wie die Anlagen „Isar 1“ und „Unterweser“ des Energieversorgers PreussenElektra. Und zwar selbst dann, wenn sie vom Netz genommen werden: An den weit überdurchschnittlich hohen Qualitätsanforderungen hat sich davon unabhängig von Sicherheitsgründen nicht viel geändert. Für den Verschluss von Rohrleitungssystemen (hier: aus dickwandigem ferritischen oder austenitischem Stahl), in denen bislang unter anderem radioaktive Wässer, mit diversen chemischen Stoffen belastetes Abwasser oder voll-entsalztes Wasser geführt wurde, gelten so im Rahmen des Rest- und Nachbetriebes vor der endgültigen Stilllegung der Rohrleitungssysteme – in den jetzt noch vorhandenen Anforderungsstufen – nahezu genau dieselben Vorgaben wie für Anlagen im Leistungsbetrieb. Was außerdem nachvollziehbar ist, weil sich der Rückbau schrittweise vollzieht und verbleibende Anlagenteile von weit verzweigten Rohrleitungssystemen im Stillsetzungsverfahren weiter unter Funktion in Betrieb sind…

Warum dann sogar aus einer vergleichsweise simplen Verschlusskappe ein High-Interest-Produkt werden muss, umreißt Schweißfachingenieur Arno Hentschel aus langjähriger Berufserfahrung bei Herstellern, beim Gutachter und jetzt beim Betreiber PreussenElektra so:

„Für Rohrleitungsinstallationen in deutschen Kernkraftwerken gibt es fünf definierte Rohrklassen mit ausgewiesenen kerntechnischen Spezifikationen. Die sehen hier je nach Rohrklasse beispielsweise vor, dass jeder einzeln geschweißte Rohrverschluss als ,handwerkliches Unikat‘ durch ein qualifiziertes und zertifiziertes Prüfunternehmen einer zerstörungsfreien Werkstoffprüfung beispielsweise mittels Durchstrahlungsprüfung zu unterziehen ist. Erleichterungen durch Verminderung des prozentualen Prüfumfanges der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung – wie in der Serienherstellung bei der Errichtung der KKW von Rohrschweißungen – greifen hier nicht.  Das macht es aufwändig, denn wir sprechen hier beim Rückbau über eine sehr hohe Anzahl von Verbindungs- und Verschluss­stellen.“

 

Hinzu kommt, dass viele der Rohrverschlüsse in mehreren Metern Höhe knapp 15 cm unter der Decke liegen und zum Teil nur über Gerüste zugänglich sind. Schweißen wäre hier durch die extreme Zwangslage nur durch sehr hochqualifizierte Schweißer möglich. Dazu kommt, dass die Schweißarbeiten mit überproportional großem Zeit- und Organisationsaufwand verbunden sind, weil die Rohrleitungen aus austenitischem Stahl wegen der Gefahr der Oxidation der Schweißnaht vorab vor dem Schweißen innen komplett mit großen Mengen an teurem Formiergas gefüllt werden müssten, was vielfach wegen der Weitverzweigung des Systems kaum möglich ist. Außerdem muss die Umgebung der Schweißstellen gegen Brandübertrag geschützt werden. In der Summe: Schweißarbeiten sind extrem aufwändig, somit sehr teuer...

Mit Endkappen aus den Rohrleitungssystemen „Megapress“ und „Megapress S“ für dickwandige Stahlrohre sowie der Weiterentwicklung daraus, den austenitischen Stahl-Ausführungen „Megapress Stainless 316“, hat Dipl.-Ing. Arno Hentschel gemeinsam mit Systemanbieter Viega jetzt jedoch in den Dimensionen DN 15 bis DN 100 ein alternatives Verfahren am Start, das den hohen Qualitätsanforderungen der PreussenElektra genauso Rechnung trägt wie den Anforderungen nach einer wirtschaftlichen Verarbeitung. 

Auszeichnung für Viega-Fertigung

Ein kurzer Rückblick: Nach den etablierten Presssystemen für Kupfer („Profipress“) und austenitischem Stahl („Sanpress“ und „Sanpress Inox“) hatte Viega – mit „Megapress“ – vor wenigen Jahren als erster Hersteller die innovative Pressverbindungstechnik auch für dickwandiges Stahlrohr in industriellen Anwendungen zur Serienreife gebracht. Das bedeutete insbesondere für die Sanierung oder Erweiterung bestehender Anlagen einen Quantensprung, da solche Installationen plötzlich auch im laufenden Betrieb oder unter beengten Platzverhältnissen, vor allem aber durch jeden eingewiesenen SHK-Monteur, statt eines geprüften Schweißers, vorgenommen werden konnten.

Die Hürden, bis die Viega-System-Kappen in die Spezifikationen für den Einsatz im Installationsumfeld der o. g. Kernkraftwerke aufgenommen wurden, waren aber dennoch hoch – denn die Presstechnik war hier bis dato weder für Rohrleitungen aus dickwandigem Stahl noch für solche aus austenitischem Stahl zugelassen. In einem mehrstufigen Prüfverfahren musste so beispielsweise ein umfangreiches Lastenheft erstellt werden, um die speziellen kerntechnischen Anforderungen an die Endkappen und deren Pressverbindung zu beschreiben. In enger Abstimmung mit dem VdTÜV-Gutachter wurde dann nach Freigabe des Lastenheftes die Leistung von Viega als Hersteller geprüft und die dahinterliegenden Fertigungsprozesse qualifiziert, bevor nach Durchführung zahlreicher Tests eine Qualifikation gemäß VdTÜV zum Einsatz der Installationskomponenten für die entsprechenden Kraftwerke vorlag und die Viega-Endkappen je nach Medium mit EPDM- oder FKM-Dichtelementen erstmals installiert wurden.

Der hier getriebene Aufwand zahlt sich für PreussenElektra jetzt aber auf jeden Fall aus, denn „die Einsparungen aus der schnelleren, mit deutlich weniger Aufwand verbundenen Installation werden sich allein beim Rückbau aller PreussenElektra-Kraftwerke auf einem sehr hohen Niveau bewegen“, so Dipl.-Ing. Hentschel – bei identischem Sicherheitsniveau, aber gleichzeitig deutlich reduzierter Strahlenbelastung für die Monteure.

Für Viega als Hersteller wiederum ist vor allem die neutrale Bewertung der Produktionsprozesse im Kontext des Zulassungsverfahrens durch PreussenElektra und dem VdTÜV eine Bestätigung für das hohe Qualitätsniveau, auf dem sich die „Megapress“-Fertigung generell bewegt.

Objekt Rückbau von Kernkraftwerken
Ort Deutschland
Jahr 2021
Objektart Renovierung
Einsatzbereich Industrie- und Gewerbeanwendungen
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