Normen, Regelwerke und ihre Anwendung in der Praxis – was Fachplaner beachten müssen
Warum Normen und Regelwerke für den Erhalt der Trinkwasserhygiene entscheidend sind
Fachplaner müssen bei der Planung von Trinkwasserinstallationen hohe Anforderungen an Hygiene, Energieeffizienz und Nutzerkomfort vereinen. Gleichzeitig stehen sie vor über 400 Gesetzen, Richtlinien und Regelwerken: ein echter „Normen-Dschungel“.
Die Kernfragen: Welche Vorgabe gilt? Wie mit widersprüchlichen Anforderungen umgehen? Und welche Konsequenzen drohen bei Fehlern?
Dieser Beitrag ordnet die wichtigsten Grundlagen ein, erklärt ihre Hierarchie und zeigt, wie Fachplaner sie in der Praxis anwenden können.
Einflussfaktoren für hygienisch einwandfreies Trinkwasser
Zentrale Faktoren für die Trinkwassergüte
- Durchströmung: Kontinuierliche Bewegung des Wassers mit höheren Geschwindigkeiten sorgen dafür, dass die Qualität im gesamten Netz erhalten bleibt.
- Wasseraustausch: Regelmäßiger Austausch verhindert lange Verweilzeiten und unterstützt hygienische Bedingungen.
- Temperaturen: Kaltwasser sollte kühl bleiben (unter 25 Grad), Warmwasser ausreichend hoch temperiert sein (über 55 Grad) – nur so lassen sich hygienische Standards einhalten.
- Nährstoffe: Die Planung und Montage können einen weitgreifenden Effekt auf das Gesamtsystem haben. Ein mit zertifizierten Materialien und Bauteilen installiertes System trägt maßgeblich zur hygienischen Stabilität des Trinkwassersystems bei.
Bedeutung für die Planung
Für Fachplaner bedeutet das: Neben der korrekten technischen Umsetzung muss auch die tatsächliche Nutzung mitgedacht werden.
Die Trinkwasser-Pyramide: Hierarchie der rechtlichen Grundlagen
Ebene 1 – EU-Gesetze
Die EU-Richtlinie 2020/2184 legt erstmals europaweit einheitliche Mindeststandards für Trinkwasser fest – mit risikobasierter Qualitätskontrolle, klaren Grenzwerten und hohen Hygieneanforderungen an Materialien.
Ebene 2 – Infektionsschutzgesetz
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) steht in Deutschland über allen Regelungen und definiert, dass von Trinkwasser keine Gesundheitsgefahr ausgehen darf.
Ebene 3 – Verordnungen
Mit der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2023) wird die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt und festgelegt, welche mikrobiologischen und chemischen Anforderungen Trinkwasser erfüllen muss. Sie enthält zudem generelle Vorgaben für Wasserversorgungsanlagen: Nach § 13 Abs. 1 sind diese mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu errichten und zu betreiben.
Ebene 4 – Allgemein anerkannte Regeln der Technik (a.a.R.d.T.)
Hier wird es praxisrelevant: Die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) sind technische Vorgaben, die wissenschaftlich fundiert, in der Praxis bewährt und von Fachleuten anerkannt sind. Dazu gehören etwa die Temperaturspreizung 60/55 °C für Trinkwasser warm (PWH) nach DVGW W 551 oder die DIN EN 1717. Letztere regelt den Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen in Trinkwasserinstallationen und legt die Anforderungen an Sicherungseinrichtungen fest, die ein Rückfließen, ein Rückwachsen oder ein Rückströmen verhindern. Wird diese Norm nicht eingehalten, sind Installationen nicht ausreichend gegen eine Verschmutzung des darin geführten Trinkwassers geschützt. Für Fachplaner gilt daher: Wer die a.a.R.d.T. beachtet, bewegt sich auf rechtssicherem Terrain.
Ebene 5 – Normen und technische Regelwerke
Auf der untersten Ebene stehen DIN-Normen, VDI-Richtlinien und weitere technische Regelwerke. Sie zeigen konkrete Wege auf, wie sich die a.a.R.d.T. umsetzen lassen. Beispiele:
- DIN 1988-200/-300 für Planung, Dimensionierung und Einhaltung von Ausstoßzeiten,
- VDI 6003 für Komfortkriterien,
- Ergänzende Regelwerke von DVGW, VDE oder DGUV.
Normen sind rechtlich freiwillig, entfalten aber eine hohe praktische Bindungswirkung – spätestens, wenn sie in Verträgen oder Bauordnungen zitiert werden.
Für Fachplaner gilt: Von oben nach unten denken. Zuerst stehen die Gesetze und Verordnungen, dann folgen die a.a.R.d.T. als fachliche Leitplanken und schließlich die Normen und technischen Regelwerke, die konkrete Wege für die Umsetzung aufzeigen. Gleichzeitig entwickeln sich diese Ebenen mit unterschiedlicher Dynamik und können im Detail widersprüchlich sein. Umso wichtiger ist es, gemeinsam mit Auftraggebern und Betreibern eindeutig festzulegen, welche Vorgaben für ein Projekt gelten. So entsteht die notwendige Rechtssicherheit – und die Grundlage, um Trinkwasseranlagen hygienisch, effizient und dauerhaft zuverlässig zu planen.
Bedeutung von Normen & Regelwerken in der Praxis
Freiwilligkeit vs. Verbindlichkeit
Normen sind grundsätzlich Empfehlungen. Aber sobald sie in Verträgen, Ausschreibungen oder Bauordnungen referenziert sind, werden sie verbindlich. Außerdem gilt die sogenannte Vermutungswirkung: Der Inhalt einer aktuellen DIN-Norm spiegelt im Zweifel die a.a.R.d.T. wider – auch wenn sie fachlich schon überholt sein kann.
Konflikte zwischen Regelwerken
In der täglichen Planungspraxis treffen Fachplaner immer wieder auf widersprüchliche Vorgaben. Ein typisches Beispiel:
- DIN 1988-200 legt pauschal fest, dass Warmwasser spätestens nach 30 Sekunden die Solltemperatur von 55 °C erreicht haben muss.
- VDI 6003 hingegen differenziert nach Komfortstufen und definiert spezifische Ausstoßzeiten für einzelne Sanitärobjekte.
Wenn aus Vorsicht „zu groß“ geplant wird, bedeuten größere Leitungen längere Verweilzeiten des Wassers – und erhöhen damit das Risiko von Stagnation und Verkeimung.
Lösungsansatz: praxisgerechte Abstimmung
Konflikte lassen sich nur durch enge Abstimmung mit Bauherren und Betreibern lösen. Das wichtigste Werkzeug ist das Raumbuch, in dem Nutzung, Entnahmestellen und Gleichzeitigkeiten dokumentiert werden. So entsteht eine bedarfsgerechte, rechtssichere Planung.
Fachplaner sollten daher den Dialog suchen und die Planung konsequent dokumentieren. Ergänzend bietet Viega praxisnahe Beratung, Schulungen und Softwarelösungen, um Normen und Regelwerke sicher anzuwenden.
Rechtliche Aspekte mitdenken
- Haftung und Beweislast: Abweichungen von a.a.R.d.T. sind nur mit Gleichwertigkeitsnachweis rechtssicher.
- Mangel ohne Schaden: Schon das Nicht-Einhalten einer Norm kann als Mangel gelten – unabhängig von einem nachweisbaren Schaden.
- Bestandsschutz: Hygienische Anforderungen können älteren Anlagen den Bestandsschutz entziehen, zum Beispiel bei Löschwasseranbindungen.
- Dynamik der Regeln: a.a.R.d.T. entwickeln sich weiter. Planer müssen regelmäßig prüfen, ob Normen oder Urteile neue Anforderungen setzen.
Fazit: Was Fachplaner beachten müssen
Gesetze und Verordnungen definieren Schutzziele, Normen und Regelwerke beschreiben den Weg dorthin. Für Fachplaner gilt:
- Hygiene, Sicherheit und Komfort durch bedarfsgerechte Planung sicherstellen,
- alle Annahmen im Raumbuch dokumentieren,
- a.a.R.d.T. konsequent einhalten,
- rechtliche und technische Entwicklungen im Blick behalten.
So bleiben Trinkwasserinstallationen hygienisch sicher, wirtschaftlich und rechtlich abgesichert.
Tipp: Das Schulungsangebot von Viega zu Normen und Regelwerken vermittelt aktuelles Fachwissen und praxisgerechte Lösungen – ideal, um sich im Normen-Dschungel sicher zu bewegen.