Klimaresilienz in der Trinkwasserinstallation – hygienisch sicher planen trotz Klimawandel
Immer heißere Sommer, tropische Nächte und steigende Temperaturen in unseren Städten verändern nicht nur das Klima, sie greifen auch in die Trinkwasserversorgung ein. Dr. Christian Schauer, Trinkwasserexperte bei Viega, erklärt, warum die Klimaresilienz von Trinkwasserinstallationen immer wichtiger wird, welche Risiken durch Legionellen drohen – und wie Fachplanung und Politik jetzt handeln müssen.
Wer frühzeitig auf nachhaltige Lösungen setzt, schützt Gesundheit, spart Folgekosten und leistet einen positiven Beitrag zur Klimaresilienz.
Dr. Christian Schauer
Herr Dr. Schauer, warum ist das Thema Klimaresilienz in der Trinkwasserversorgung gerade jetzt so wichtig?
Die Folgen des Klimawandels spüren wir längst im Alltag. Hitzerekorde mit über 35 Grad am Tag und tropische Nächte um die 25 Grad sind keine Ausnahme mehr. Das wirkt sich nicht nur auf unsere Gesundheit, sondern auch auf die Trinkwasserqualität aus. In dicht bebauten Städten erwärmen sich unterirdische Leitungen deutlich – und damit auch das Kaltwasser, das in die Gebäude fließt. Verbunden mit Wetterveränderungen und wenig nachhaltigem Umwelt- und Naturschutz kommt es langfristig zu einer Verknappung und zu einer hygienekritischen Beeinflussung der Ressource Wasser.
Welche Auswirkungen hat das auf unsere Trinkwasserhygiene?
Das größte Risiko sind Legionellen im Trinkwasser. Wenn das Kaltwasser eine Temperatur von über 20 Grad Celsius erreicht und in den Leitungen stagniert, vermehren sich diese Bakterien rasant. Gefährlich ist jedoch nicht das Trinken, sondern das Einatmen kleinster Aerosole, etwa beim Duschen. Das kann zu schweren Lungenentzündungen, der sogenannten Legionellose, oder grippeähnlichen Erkrankungen wie dem Pontiac-Fieber führen. Die Zahl der gemeldeten Legionellose-Fälle in Deutschland steigt seit Jahren. Hinzu kommt, dass wir, um Energie zu sparen, vermehrt auf energieeffiziente Heizsysteme mit niedrigen Warmwassertemperaturen setzen. Doch wenn das Warmwasser nicht mindestens 55 Grad erreicht, entsteht unabhängig von der Art der Warmwassererzeugung ein weiteres Einfallstor für Bakterien. Hier geraten Energieeffizienz und Trinkwasserhygiene in einen Zielkonflikt.
Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für Fachplaner im Bereich der Trinkwasserinstallation?
Fachplaner bewegen sich in einem komplexen Feld aus Trinkwasserverordnung und den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Sie müssen Neubauten genauso wie Bestandsanlagen klimaresilient gestalten. Dabei gilt es, Stagnation zu vermeiden, das Volumen der Trinkwasserinstallation zu minimieren, Kaltwasserleitungen vor Erwärmung zu schützen und Warmwasser energieeffizient zur Verfügung zu stellen – auch wenn Wärmeerzeuger auf Basis erneuerbarer Energien eingesetzt werden.
Was sind die wichtigsten Maßnahmen für eine klimaresiliente Trinkwasserinstallation?
Die zentrale Aufgabe ist eine durchdachte Planung mit übersichtlicher, möglichst klarer Struktur der Trinkwasserinstallation, insbesondere unter Verzicht auf überflüssige Zirkulationskreise in peripheren Bereichen. Entscheidend sind kurze Leitungswege und kleine Volumina, damit Trinkwasser nicht stagniert und die beste Durchströmung erreicht. Alle Leitungen bis auf die peripheren Rohrleitungen im Warmwasser (schnelle Auskühlung) müssen gedämmt werden, um Kaltwasser kühl und Warmwasser warm zu halten. Ein hydraulischer Abgleich trägt dazu bei, Übertemperaturen in Trinkwasserspeichern sowie hygienekritische Temperaturen im Warm- und Kaltwasser zu vermeiden. Eine hydraulisch ausgeglichene Planung stellt sicher, dass alle Entnahmestellen gleichmäßig durchströmt werden. Digitale Bauteile und Systeme mit Sensoren helfen zudem, kritische Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Der zielgerichtete Einsatz von zukunftsfähigen Technologien zur effizienten Energieeinsparung beim Trinkwarmwasser im Rahmen des Gesundheitsschutzes ergänzt das Konzept.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich von Politik, Bauwirtschaft und Planern?
Wir brauchen klare Leitplanken, die Klimaanpassung im Trinkwasserbereich verbindlich machen. Dazu gehören Förderprogramme, mehr Forschungsinvestitionen und vor allem Sensibilisierung in der Bauwirtschaft. Regulatorische und normative sowie verordnungsrechtliche Komplexität sind nicht der aktuellen Praxis angepasst und bremsen notwendige Innovationen aus. Nur wenn alle Akteure – von Politik bis Fachplanung und Handwerk – zusammenarbeiten, sichern wir eine nachhaltige, zukunftsfähige und klimaresiliente Trinkwasserversorgung.
Welchen Rat geben Sie Betreibern und Planern, die heute eine neue Trinkwasseranlage planen?
Setzen Sie von Anfang an auf Klimaanpassung und eine klimaresiliente Trinkwasserinstallation. Bedenken Sie dabei nicht nur die Energieeffizienz, sondern vor allem den Ressourcenschutz von Trinkwasser und die langfristige Trinkwasserhygiene (Gesundheitsschutz). Wer frühzeitig auf nachhaltige Lösungen setzt, schützt Gesundheit, spart Folgekosten und leistet einen positiven Beitrag zur Klimaresilienz.
Wo können Interessierte mehr über das Thema erfahren?
Viega stellt umfassende Informationen und Whitepaper zum Erhalt der Trinkwasserhygiene und zu den angesprochenen klimaresilienten Trinkwasserinstallationen zur Verfügung. Wir bieten Seminare an, die praxisnahes Wissen vermitteln. Auf unserer Website und in Fachveranstaltungen geben wir Fachplanern und Betreibern konkrete Hilfestellungen, wie sie ihre Anlagen zukunftssicher und hygienisch einwandfrei gestalten können.